Simons GOT-Recaps
Das Spiel ist aus. Mit THE IRON THRONE geht einer der größten Serienerzählungen der Fernsehgeschichte zu Ende. GAME OF THRONES ist mehr als eine aufwändig produzierte Fantasy-Serie über tits and dragons. Es ist ein globales Phänomen der Populärkultur, dass Milliarden von Menschen begeistert, bewegt, schockiert und inspiriert. Nach 73 Episoden und mehr als acht Jahren komplexer Erzählung drängt sich nun alles zu der einen Frage: Was it any good? Die Jahre des involvierten Zuschauens, des Investierens in die Charaktere, des Mitfieberns und endlosen Fabulierens, haben sie sich ausgezahlt? Sind Showrunner D&D nach einer turbulenten achten Staffel noch auf einen grünen Zweig gekommen? Ist das Ende gut genug, um für die Flüchtigkeitsfehler und vielen Abkürzungen und übereilten Verdichtungen der letzten beiden Staffeln aufzukommen? Wird die TV-Adaption dem Magnus Opus von George R.R. Martin gerecht? Und wurden meine eigenen Erwartungen erfüllt? In diesem Moment ist es mir unmöglich, auf all diese Fragen eine Antwort zu finden. Sollte ich die letzte Folge GAME OF THRONES jedoch in einem Wort zusammenfassen, so wäre es versöhnlich. Das Lied von Eis und Feuer endet mit einem bittersüßen Akkord, der ebenso viele Zuschauer zufriedenstellt wie vor den Kopf stößt. Was it right, what I did?, fragt ein gebrochener Jon Snow stellvertretend für die Drehbuchautoren. What we did, korrigiert Tyrion. Ask me again in ten years ist die diplomatische Antwort.
Die Folge in Zahlen:
- 15 Hauptfiguren
- 1 Handlungsort
- 1 Letzter Auftritt
THE IRON THRONE knüpft an die postapokalyptischen Bilder von THE BELLS an. Tyrion schreitet durch die niedergebrannten Ruinen von King’s Landing. Entsetzen, Enttäuschung und Schuld zeichnen sein Gesicht. Dies ist kein Siegerplatz, sondern der Anblick einer niederschmetternden Niederlage. Unter den Ruinen des Red Keep findet er die goldene Hand seines Bruders. Tränenreich setzt er die Leichen seiner Geschwister Jaime und Cersei frei und verfällt in tiefe Trauer. Währenddessen werden Jon Snow und Ser Davos an anderer Stelle Zeuge der ansteckenden Grausamkeit von Königin Daenerys Targaryen. Grey Worm und seine Unsullied verurteilen die letzten Lannistersoldaten zum Tode. Jon will ihn davon abhalten, es kommt zur Konfrontation. Davos deeskaliert die Situation. Hilflos müssen sie die Hinrichtung ihrer Gefangenen hinnehmen. Der unbarmherzige Befehl kommt von ganz oben. Kill them all!
Schöne, neue Welt

Danys Verwüstung von King’s Landing war nicht einfach der Ausrutscher eines emotional und mental angeschlagenen Teenagers. Es war der erste Schritt in eine schöne, neue Welt, die nur aus der Asche der alten Welt entstehen kann. In einer ausdrucksstarken Einstellung nimmt Dany das Zentrum des Bildes ein. Zielstrebig läuft sie der Kamera entgegen; hinter ihr breitet Drogon seine gewaltigen Flügel aus, was durch die Kameraperspektive so aussieht, als wären es die ihren. Dany ist zum Drachen geworden. Sie wendet sich ihren siegreichen Truppen zu und tut das, was sie am besten kann: Badass-Reden in fremden Sprachen halten. Nach Qarth, Astapor, Yunkai, Meereen und Vaes Dothrak wurde nun auch King’s Landing von seinen Gewaltherrschern befreit. Doch geht der Krieg für Dany weiter. Das Drachenmädchen, dass sich Staffel für Staffel gegen Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Tyrannei eindrucksvoll zur Wehr setzte, kommt aus ihrem Befreier-Modus nicht mehr heraus. Noch immer gibt es Feinde zu bezwingen, noch immer gibt es Städte zum Verbrennen. Das Rad ist erst gebrochen, wenn die Welt vom Bösen gereinigt und der letzte lebende Unhold in den Sieben Königreichen beseitigt ist – was dann auch der letzte lebende Einwohner von Westeros sein wird. Ihre Rede, sie ist nicht mehr die Kampfansage gegen das Unterdrücker-Regime, kein Aufruf zum Widerstand, nicht der Schlachtgesang für die gute Sache, sie ist purer Fanatismus, die einen endlosen Vernichtungskrieg rechtfertigt.
Tyrion erkennt das Ausmaß seiner Fehleinschätzungen und
zieht die Konsequenz seiner Irrtümer. Er wirft sein Amt als Hand symbolträchtig
nieder und wird wegen Hochverrats in Ketten gelegt. Jon stattet dem
Todgeweihten einen letzten Besuch ab – es kommt zu einem folgeschweren
Gespräch. Tyrion will Jon überzeugen, Dany aufzuhalten, bevor es zu spät ist
und sie ganz Westeros – insbesondere seine Schwestern – in Brand setzt. Eine
Szene zuvor hat Arya Jon bereits gewarnt, dass Sansa sich nicht Dany beugen
wird und Dany nicht davor zurückschrecken wird, sie umzubringen. Tyrion
argumentiert, räsoniert, appelliert. Our
queen’s nature is fire and blood. Jon wehrt ab; Herkunft und Blut bestimmen
nicht, wer wir sind. Dany hat mehr Menschen an einem Tag getötet als Tywin oder
Cersei Lannister in ihrer gesamten Karriere als Westeros‘ Oberschurken zusammen.
Doch Jon kann Daenerys nicht verraten, er liebt sie. Love is the death of duty, Jon wiederholt die Worte von Maester
Ameon aus BAELOR. Sometimes, duty must be
the death of love, erwidert Tyrion. Hier haben wir es, das klassische
Stark’sche Dilemma. Soll Jon seine Liebe opfern für das, was richtig ist?
Eddard Stark hat das getan, was Pflicht und Ehre verlangte, und dafür seinen
Kopf verloren. Robb Stark hörte auf sein Herz und fand ebenfalls den Tod. Jon
steht auf und geht zur Tür. Niederschlagen nimmt er sein Schicksal entgegen,
als Bedrohung für Danys Herrschaft bald von ihr ausgelöscht zu werden. Aber was
ist mit deinen Schwestern, ruft Tyrion ihm noch nach. Kann er auch ihren Tod verantworten?

Der Höhepunkt der Handlung ist erreicht. Dany steht im verwüsteten Thronsaal, die Szenerie ähnelt sehr ihrer Vision im House of the Undying aus VALAR MORGHULIS. Sie steht vor dem Eisernen Thron, der unbeschadet den Ruinen trotzt. Behutsam berührt sie das Objekt ihrer Begierde, worauf sie so lange hingearbeitet hat. Diesmal ist es kein Traum. Der kalte Stahl ist echt. Dany hat ihr Ziel erreicht. Das Vermächtnis von Aegon dem Eroberer ist das ihre. Jon kommt hinzu. Sie streiten über Danys Taten, die für Jon Grausamkeit und Kriegsverbrechen bedeuten, für Dany aber ein notwendiges Übel für das größere Wohl darstellen. Erst, wenn die Welt befriedet ist, wird es Platz für Gnade geben. Danys fundamentalistisches Gut-Böse-Schema entspricht der grausamen Naivität der High Fantasy. Die Taten des Helden sind immer gut, da er Held von Natur aus weiß, was Gut und Böse ist. Was ist aber mit den anderen, die auch denken, sie könnten Gut und Böse unterscheiden, fragt Jon. They don’t get to choose, ist ihre erschaudernde, da so selbstverständliche Antwort. Alles klar. Jon und Dany fallen sich in die Arme. Die neue Welt, sie beginnt mit den beiden. Es ist die Umarmung, auf die Dany so lange wartete und die Jon ihr nun endlich geben kann. You are my queen, now and always. Sie küssen sich. Weder sie noch wir sehen den unvermeidlichen Dolch kommen, den Jon in Danys Herz rammt. Es ist der letzte große Verrat der Serie, und er wird von Jon Snow begangen. Der einst Ermordete wird zum Mörder. Zärtlich legt er die sterbende Dany zu Boden, die ihn mit ihren überraschten Augen anschaut. Die größte Wende der finalen Staffel ist antiklimatisch. Kein Paukenschlag, kein spannungsgeladenes Aufbauen, kein unheilvolles Klavier. Es ist, als ob Jon sie allein mit seiner Umarmung umgebracht hat. Königin Daenerys Targaryens Tod ist als emotionaler Höhepunkt des Finales angelegt. Das junge Mädchen, dem wir zu sahen, wie sie sich gegen alle Widrigkeiten und Wahrscheinlichkeiten zum Trotz durchgesetzt hat und von Nichts zur mächtigsten Frau beider Kontinente wurde, ist tot. Behutsam wird sie später ihr Drachen mit seinen gewaltigen Klauen greifen und forttragen, gen Osten. Nachhause.
Auf den emotionalen Höhepunkt folgt der inhaltliche. Drogon
fliegt herbei, findet Jon Snow über dem toten Körper der Drachenmutter weinen.
Jon tritt zurück. Er erwartet – Jon, wie er ist – seine gerechte Strafe. Drogon
verfällt in Raserei, eine Feuerbrunst baut sich in seinem Rachen auf. Doch
wendet Drogon seinen Zorn nicht gegen Jon, sondern den Eisernen Thron. In
Drachenfeuer einst geschmiedet, wird er nun durch Drachenfeuer zerstört. Drogon
braucht mehrere Anläufe, um das Ungetüm von einem Thron niederzubringen, aber
es funktioniert. Das zentrale Machtsymbol von Westeros zerfließt in
geschmolzenem Metall dahin. Der Drache hat es verstanden: Jon führte den Dolch,
doch war es der Thron, der Dany wirklich tötete. Das Streben nach Herrschaft,
das sich darin entfaltende Spiel um Ruhm und Macht, Ambition, Kalkül, Stärke,
Skrupellosigkeit und Schicksal. Krieg, Tod, Intrige und Verrat, sie alle
geschahen wegen dieses verdammten Throns. Ohne ihn ist Westeros besser dran. Die
Zerstörung des Eisernen Thrones ist ein schönes Bild und Kulmination der
Serienhandlung. Doch ist das Spiel nicht vorbei, nur weil der Pokal zerstört wurde.
Der Preis selbst wird weiterhin bleiben. Menschen werden immer nach Macht
streben, sie ist notwendig, um Gerechtigkeit zu vollstrecken und die Schwachen
vor den Starken zu beschützen. Doch vielleicht wird das Spiel jetzt ein wenig
besser gespielt. Weil es nicht um gewaltvoll ergriffene Macht geht,
symbolisiert in den zusammengeschmolzenen Schwertern von Aegons Feinden,
sondern um die Bürde der Verantwortlichkeit. Ein guter König gebietet nicht, er
dient.

Und so kommen wir schließlich zur kausalen Klimax, der Auflösung der Handlung und das Ende der in dieser Geschichte dargebotenen Ereignissen. Was jetzt folgt, sind dramaturgische Aufräumarbeiten. Letzte Geschichten werden zu Ende erzählt, ausstehende Payoffs und Belohnungen ausgezahlt. Ein hoffnungsvoller Ausblick wird gewagt, mit Perspektive auf mögliche Spin-Offs und Erzählerweiterungen. Einige Zeit ist verstrichen seit Jons Tat. Er und Tyrion sind weiterhin Gefangene unter Grey Worms improvisierter Militärherrschaft. Schließlich steht Tyrion ein weiteres Mal vor Gericht. Im Dragonpit. Der Ort, an dem in THE DRAGON AND THE WOLF der Traum eines geeinten Westeros angesichts der gemeinsamen Bedrohung durch die White Walker seinen Anfang nahm, wird abermals Schauplatz einer großen Zusammenkunft. Zum dritten Male in der Geschichte von Westeros tritt ein Great Council aus den Lords und Ladies der Sieben Königreiche zusammen, um zu bestimmen, wer ihr König wird (Könige werden nicht gewählt, hört man noch einen reaktionären King Arthur aus MONTY PYTHON AND THE HOLY GRAIL sagen, aber das ist eine andere Diskussion). Das erste Mal ist mit der Krönung von King Viserys Targaryen ebenfalls entschieden worden, dass die männliche Erbfolge über der weiblichen steht. Das zweite Mal hat man sich auf den unwahrscheinlichsten Kandidaten geeinigt: Aegon V. Targaryen, Maester Aemons kleinem Bruder. Auch jetzt erscheint die Wahl zunächst ungewöhnlich. Jon konnte es nicht werden; er sitzt wegen Hochverrats in Ketten, seine bloße Nominierung hätte Grey Worm und die Unsullied zum Krieg gerufen. Tyrion hat ebenfalls zu viel auf dem Kerbholz. Lord Edmure Tully, zurückgekehrt aus der Versenkung von zwei Staffeln, will seinen Namen in den Ring werfen, wird aber von seiner Nichte Sansa dazu aufgefordert, sich nicht noch weiter zu blamieren. Wer also dann? Tyrion nominiert Brandon Stark zum neuen König und kann die Mächtigen der verbliebenen Sechs Königreiche überzeugen, den gebrochenen Jungen als ihren neuen Herrscher zu akzeptieren. Währenddessen erklärt Sansa die Unabhängigkeit des Nordens.
Stories rule!

Bran the Broken wird König. Dies ist in der Tat eine Überraschung. Seit Jahren zählt der letzte männliche Starkerbe nicht gerade zu den großen Publikumslieblingen der Serie. Staffel für Staffel rackerte man sich an seiner Seite durch den Norden ab, für so manchen Zuschauer eine große Geduldprobe. Selbst, als er endlich seine Fähigkeiten bekam und zur Three-Eyed Raven wurde, war sein Einfluss auf die Handlung geringer als vermutet. Nun ist er zum König gekrönt worden. Und es macht alles Sinn. Bran ist der Herrscher, den Westeros (und so mancher Zuschauer) vielleicht nicht will, aber braucht. What makes a good king, fragt Tywin Lannister in BREAKER OF CHAINS seinen Enkel Tommen – übrigens eine hervorragende Szene, die beweist, dass D&D ohne Martin sehr wohl schreiben können. Weisheit ist die Antwort, die Tywin hören wollte. Nicht nur Scharfsinn, Intelligenz und Wissen sind damit gemeint, sondern auch die Einsicht, auf seine BeraterInnen zu hören. Bran steht nicht nur die Weisheit erfahrener Personen zur Verfügung, sondern der Zugriff auf die objektive Geschichte selbst. Die Vergangenheit ist gerade in einem Land mit einer so reichen wie blutigen Geschichte der beste Lehrmeister. Bran kann von ihren Fehlern lernen. In den Worten von Ser Davos hat Westeros zum ersten Mal die Gelegenheit, es besser zu machen. Nicht Geschichte wiederholen, sondern aus ihren Mustern ausbrechen.
Als Three-Eyed Raven ist Bran außerdem distanziert genug, um nicht durch eigenes Begehren sowie den Interessen seiner Familie befangen zu sein, und doch gerade noch so viel Mensch, um nicht in Unmenschliches Kalkül und Gefühllosigkeit abzudriften. Diesen Rest Menschlichkeit hat er im Umgang mit Jaime in A KNIGHT OF THE SEVEN KINGDOMS und vor allem mit Theon in THE LONG NIGHT bewiesen. Bran ist der perfekte Stoiker im Sinne der philosophischen Lehre. Er hat seinen Platz im Weltengefüge akzeptiert. Die zur Apathie reichenden Selbstkontrolle seiner Leidenschaften und Affekte bedeutet jedoch nicht Passivität, Resignation oder Gleichgültigkeit. Sie lässt ihn im Gegenteil sein Schicksal mit einer inneren, tiefen Ruhe hinnehmen, um sein Tun dem Gemeinwohl unterordnen zu können. Zudem ist der mobile Thron in Form des Rollstuhls in Gegensatz zum rigiden Eisernen Thron eine wunderbare Metapher. Sie bezeichnet auch Tyrions Gedanken, mit Brans Nominierung das Rad zu brechen, da er anscheinend keine Kinder haben kann und somit dem Herrschaftsanspruch durch Erbfolge ein Ende bereitet wird. Mit dem Beginn von Bran soll Westeros seinen Herrscher wählen, wie es bereits die Ironborn in ihrem Kingsmoot machen oder die Night’s Watch mit ihrem Lord Commander. Der erste Schritt raus aus der reinen Feudalherrschaft hin zu einer demokratischeren, konstitutionellen Monarchie.
Hauptfiguren
Tyrion Lannister Daenerys Targaryen Jon Snow Brandon Stark Arya Stark Sansa Stark Grey Worm Davos Seaworth Samwell Tarly Brienne of Tarth Bronn Gendry Baratheon Tormund Giantsbane Jaime Lannister Cersei Lannister
Nebenfiguren
Queen Yara Greyjoy Ser Podrick Payne Ser Yohn Royce Maester Wolkan Lord Robin Arryn Lord Emdure Tully
Letzte Auftritte

Vor allem aber, so Tyrion, verfügt Bran über eine überzeugende Geschichte. Der gebrochene Junge, der am Anfang nichts hatte und zur Three-Eyed Raven wurde, ist ein Hoffnungssymbol für das broken kingdom selbst. What unites people? A good story. So ein cheesy Satz kann nur von Drehbuchautoren stammen. Dennoch birgt er Weisheit. Die Machtdiskurse von Westeros sind Narrative, die solang funktionieren, wie Menschen an sie glauben, sie verbreiten und weitererzählen. Bran stellt die ultimative Vereinigung von Narration und Geschichtsschreibung dar. Er ist die Balance aus story und plot. Er weiß, was geschehen ist. Doch ist es entscheidend, wie dieses Wissen interpretiert und weitererzählt wird. Der Geschichtenschreiber, so Aristoteles, stellt die Welt dar, wie sie ist – chaotisch, durcheinander, unvollkommen. Erst in der Geschichte des Erzählers bekommt sie einen Sinn, wird die Ordnung des Kosmos offenbar, weil alles einer Kausalität, einer Folgerichtigkeit und Wahrscheinlichkeit folgt. In dieser Ordnung liegt die Schönheit wie auch der ursprüngliche, göttliche Sinn, der verspricht: Es war nichts umsonst. Alle Teile fügen sich zu einem Ganzen. Wirst du die Wahl annehmen, fragt Tyrion. Why do you think I came all this way, ist Brans bekannt schroffe Antwort. In diesem Zitat vereint sich die Folge: Es ist als lässiger Spruch für die Folgerichtigkeit von Brans Krönung gemeint, doch wirkt er in seiner monotonen Darbietung von Isaac Hempstead-Wright so unsympathisch. Es haben Szenen gefehlt, die uns den zukünftigen König von Westeros gerade in seiner neuen Form als Three-Eyed Raven interessanter gemacht und näher gebracht hätten sollen.

Dieses Versprechen, welches mit der achten Staffel für die gesamte Handlung der Serie selbst aufgeworfen wird, findet in Bran seine intra- wie metatextuelle Erfüllung. Autor George R.R. Martin hat wie Tyrion ein Herz für Bastards, Cripples and Broken Things. A Song of Ice and Fire, und damit verbunden GAME OF THRONES, ist eine Geschichte der Außenseiter, der Vergessenen, der weggeworfenen Existenzen, diejenigen, die wie Tyrion in den Geschichtsbüchern nicht einmal eine Erwähnung finden. Tyrion, Dany, Sansa, Arya, Sam, Jon, Brienne, Jaime, Theon, Sandor, Bran – GAME OF THRONES erzählt ihre Geschichte, in der frei nach Tolkien ausgerechnet der Übersehene den Lauf des Schicksals entscheidend verändert hat. Bran vertritt sie alle als König, gibt ihnen eine Stimme, und macht deutlich: Sie ist die Stimme, die am Ende entscheidet. Deswegen muss auch die Geschichte mit seinem Fall beginnen, weil sie mit seinem Aufstieg endet. Ja, dramaturgisch macht es Sinn. Und ist nicht der dramaturgische Sinn der einzige, der zählt?
Der Abschluss der Folge bilden eine Reihe von vielen Enden, die RETURN OF THE KING Konkurrenz machen. Bran wird König; Tyrion wird seine Hand. Es ist sein Richterspruch – er ist dazu verdammt, seine vergangenen Fehler wieder gut zu machen. Jon muss jedoch zurück an die Mauer zur Night’s Watch (There is still a Night’s Watch?, ist Jons trockener Kommentar), um dort seine Tage abzusitzen. Es ist der Kompromiss aus Freiheit und Exekution. In einer wunderbaren Montagesequenz wird den wahren Protagonisten der Serie gehuldigt – den Stark Kids, die alle ihr neues Schicksal antreten. Sansa wird als Queen of the North ausgerufen und regiert den unabhängigen Norden; Bran ist König der verbleibenden sechs Königreiche; Arya wird zur Entdeckerin und reist in den unbekannten Westen von Westeros, um neue Abenteuer zu erleben; Jon darf sich in der Night’s Watch mit seinen Brüdern und Schwestern des wahren Nordens, den Wildlingen, vereinen und zieht mit ihnen aus, um den wilden Norden neu zu bevölkern. Der Rest der Figuren dient König Bran im Small Council. Tyrion als Hand; Bronn als Master of Coin und Lord of Highgarden; Davos als Master of Ships; Sam als Grandmaester; Ser Podrick als Kingsguard und Ser Brienne als Lady Commander of the Kingsguard. In dieser Funktion vollendet sie die Geschichte von Jaime Lannister im Buch der Kingsguard. In den letzten Einstellungen der Serie sehen wir Jon und die Wildinge in den Norden aufbrechen. Es ist eine Parallele zum Anfang der Serie. Im Prolog von WINTER IS COMING passieren Männer der Night’s Watch ebenfalls die Toren der Mauer, um sich dem Unbekannten zu stellen. Was damals jedoch zur unheilvollen Begegnung mit den White Walkers eskalierte, wird nun zum zaghaften Traum vom Frühling. THE IRON THRONE beginnt mit dem Tod und endet im Leben. Wer hat am Ende von GAME OF THRONES gewonnen? Die Poesie.

War THE IRON THRONE also ein gelungenes Ende? Natürlich, die Folge hätte mehr Szenen verdient, wie auch die finale Staffel mehr Folgen. Der Weg, er war holprig; doch die erreichten Ziele und Plot Points waren zufriedenstellend genug. Ich bin als Fan der Serie versöhnt. Und als Buchfan kann ich nun kaum erwarten, die letzten Bücher zu lesen, um Martins elaborierte Version des Endes zu erfahren. THE IRON THRONE war nicht die Erfüllung sämtlicher Wünsche, aber auch nicht die Enttäuschung, die viele fürchteten. Generell ist der Hass, den die finale Staffel erfährt, unverdient. Benioff und Weiss haben versucht, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Sie sind weder die schlechten Drehbuchautoren noch Filmemachern, als die sie gebrandmarkt werden. Heute sieht sich jeder als Erzählexperte, der die beste Version der Geschichte hätte bieten können. Doch ist es leicht zu urteilen, wenn man nicht in einem so großen Produktionskontext involviert ist. Trotz ihrer Fehler verdienen Benioff und Weiss Respekt, dieses beinahe unübersetzbares Biest von einer Geschichte für den kleinen Bildschirm adaptiert zu haben. Am Ende war es ihre Version, bis zum letzten Punkt, ob man sie mochte oder nicht. Aber es war eine Version, die andere neben sich existieren lässt. Das Ende ist offen genug, um die eigene Fantasie weiterhin spinnen zu lassen. Wird Dany jenseits der Narrow Sea von Lady Kinvara wiederbelebt? Kehrt sie als finstere Lady Fireheart zurück? Welche Herausforderungen wird Bran noch meistern müssen? Was erlebt Jon jenseits der Mauer? Entdeckt Arya neues Land? Was ist mit den ganzen Prophezeiungen? GAME OF THRONES ist ein Ende von vielen. Die weitaus größere Enttäuschung kann eigentlich nur Martins Buchende bringen, denn dieses wird der definitive Schluss sein, der keine Alternativen duldet. Sollte er nicht den Interessen der Fans entsprechen, wird der Aufschrei umso größer. Aber bis dieses Ende kommt, ist es noch lange hin. Was bleibt, ist die Hoffnung auf Erneuerung, auf Wiedergeburt und Frühling. Nothing lasts, selbst das Ende nicht. Die nächsten GAME OF THRONES-Spin-Offs sind bereits in der Mache; das erste Projekt beginnt seine Dreharbeiten im kommenden Juni. Nothing ever ends, ist also die finale Botschaft dieses grenzenlosen Textes. Und ist das nicht das versöhnlichste Ende von allen?
Zitat der Folge
Why do you think I came all this way?
King Bran I. Stark
Andere Gedanken:
- A Song of Ice and Fire. Ernsthaft? Also ist eine weitere beliebte Fan-Theorie in Erfüllung gegangen, wenn auch nur teilweise. Als Verneigung vor Tolkiens LORD OF THE RINGS Buch-im Buch wurden auch in Westeros die Ereignisse der Serie in einem Buch mit lässigen Titel A Song of Ice and Fire festgehalten, allerdings nicht von Sam, sondern von Archmaester Ebrose. Sam durfte lediglich beim Titel helfen. Hat er auch die Armillarsphären aus dem Vorspann konstruiert?
- Dass Tyrion in dem Buch nicht einmal Erwähnung findet, ist in vielerlei Hinsicht ironisch: Hat er doch bis jetzt im „echten“ Song of Ice and Fire als Hauptfigur die meisten Kapitel. Außerdem hat Bücherwurm Tyrion sein ganzes Leben mit Geschichten und Legenden verbracht, jedoch bleibt ihm sein Traum, selbst einmal in einem Buch verewigt zu werden, versagt. Naja, wer liest denn schon doofe Bücher? Theater ist das neue Medium! Immerhin gibt es ja noch The Bloody Hand, in dem Tyrion die Hauptrolle spielt.
- FIND ME GUILTY: Nach dem Prozess vor Lysa Arryn in der Vale (THE GOLDEN CROWN), der Verhandlung in King’s Landing (THE LAWS OF GODS AND MEN) und seinem kurzen Gericht vor Daenerys in Meereen (HARDHOME) konnte Tyrion einmal mehr eine Gerichtsverhandlung für sich entscheiden bzw. sich dem eigentlich auferlegten Verdikt entziehen. Der Mann ist aalglatt!
- Democracy schtonk. Sams Vorschlag, den König nicht nur von den Herrschenden, sondern von allen wählen zu lassen, trifft bei den Lords und Ladies nur auf Gelächter. Soll mein Pferd auch eine Stimme bekommen?, spöttelt Ser Yohn Royce. Die Idee kommt natürlich von der Nachtwache, die ihren Lord Commander demokratisch bestimmt. Aber dafür ist das feudale Westeros noch nicht bereit. Die Abschaffung der Erbfolge ist Fortschritt genug.
- Von den verbliebenen 16 Hauptfiguren sind 15 in der Folge anwesend: Nur Gilly hat gefehlt. Was ist aus ihr geworden? Jetzt, wo Sam anscheinend Grand Maester geworden ist? Werden die Regeln der Zitadelle reformiert? Darf Sam seine Familie behalten? Ist Gilly nach Horn Hill geschickt worden? Es fühlt sich so nach einer herausgeschnittenen Szene an…
- Night’s Watch? Really? Was in drei Teufels Namen haben die schwarzen Brüder denn überhaupt noch zutun? Siedlungsprogramm der Wildlinge im Norden höchstens. Aber ALLE White Walker sind tot, die Mauer ist also überflüssig geworden – ebenso wie das Tor in Castle Black. Wieso eine Tür mühselig bedienen, wenn in der Mauer bei Eastwatch-by-the-Sea eine gigantische Lücke ragt? Also als derjenige, der das Tor per Hand hochziehen musste, würde ich mir schon verarscht vorkommen.
- Jon vereint sich wieder mit Tormund und Ghost. Dabei streichelt er seinen vierbeinigen Gefährten und nimmt ihn in den Arm. WAR DAS SO SCHWER?
- Irgendwie stelle ich mir vor, dass Jon Snow ein bekackter Parkranger geworden ist. Die Mauer ist nur noch eine Touri-Attraktion, in der Jon und seine Brüder Führungen geben und von damals erzählen. Seht her, dafür hat man das Ding mal gebraucht. Und ich weiß ja nicht, ob ich es erwähnt habe, aber ich wär‘ mal fast König geworden…
- Briennes kleiner Moment, in dem sie Jaimes Seite in dem Book of Brothers aktualisierte, war sehr rührend. Besonders das Ende: Zögerlich gibt sie seinem unrühmlichen Tod ein versöhnliches Ende: Died protecting his queen.
- Die Small Council-Szene war erfrischend, besonders der Schlagabtausch zwischen Bronn, Lord of lofty Titles und Ser Davos, Master of Grammar. Selbst Tyrion darf endlich seinen Witz mit dem Esel und der Wabe erzählen, den er bereits in THE GOLDEN CROWN vor Lysa Arryn begann und auch in NO ONE mit Missandei und Grey Worm nicht fertig erzählen konnte.
- Grey Worm segelt mit seinen Unsullied wirklich nach Naath. Wie wohl die Frührente von einer Horde Eunuchen-Soldaten am Strand einer paradiesischen Insel aussehen wird?
- Danys Tod kam doch sehr schnell in der Folge. Armes Mädchen. Aber mal im Ernst: Jon hätte ihr den Kopf abschneiden müssen oder so. Er weiß ja selbst, wie lange so ein Dolch im Herzen bei Hauptfiguren andauernd. Andererseits hoffe Ich hoffe wirklich sehr, dass jenseits der Narrow Sea Die Hoehepriesterin des Roten Gottes, Lady Kinvara, die junge Drachenmutter wiedererweckt. Wenn es schon ein betrunkener Zyniker und eine in die Glaubenskrise geratene Fanatikerin schafft, muss es für sie doch ein Klacks sein. Dany kommt wieder und bekommt ihre Rache. Eroberin Dany gegen King Bran, was für ein Showdown!
- Was ist eigentlich aus den Dothrakis geworden? Haben sie sich jetzt in Westeros niedergelassen? Am Hafen von King’s Landing schienen sie sich schon in den urbanen Lebensstil eingegliedert zu haben. Wobei ich es mir eher vorstellen könnte, dass sie jetzt raubend und brandschatzend durch die Sechs Königreiche reiten.
- Achtung, Spin-Off-Gefahr: Arya hat schon einmal in NO ONE über ihre Entdecker-Ambitionen gesprochen, über die Grenzen der Welt zu segeln. Jetzt tut sie es wirklich. Warum wird nie ganz klar. Aber egal: Was liegt westwärts von Westeros? Amerika? England? Mittelerde? Zamonien? Oder wird Ihr eindrucksvoller Stark-Bug nur in die blaue Pappmasché-Wand eines aufgemalten Horizonts stoßen? Alles hat sich nur unter der Kuppel eines gigantischen Studios abgespielt! Westeros ist so echt wie die THE TRUMAN SHOW! Arya ist perplex, will das Studio verlassen und führt ein Zwiegespräch mit Schöpfer George R.R. Martin, der als Stimme aus dem Off sie vom Gehen abhalten will. Du willst eine Welt, in der die Leute um dich herum permanent sterben außer du selbst? Dann bleib in meiner Welt! Da draußen machst du es mit deiner Needle keine drei Sekunden! Arya hält inne. What do we say to the God of Death? Not today! Sie verbeugt sich und geht durch die Tür nach draußen. Bam. Das wär doch mal ein Ende gewesen.
- Sansa wird zur Queen of the North. Wohlverdient. Aber warum kam kein anderes Königreich auf die Idee, die eigene Unabhängigkeit wieder zu fordern? Gerade Dorne, das als letztes Königreich nie durch Militärgewalt, sondern nur durch Hochzeit erobert wurde, sollte doch jetzt die Chance wittern, sich wieder selbstständig zu machen. Auch die Iron Islands, obwohl kein eigenes Königreich, sondern lediglich ein Teil des Nordens, haben die Tendenz zur Rebellion. Ich glaube, nachdem Sansa ihren Nexit verkündete, hätte so mancher Lord seine Stimmabgabe gerne noch einmal überdacht.
- Am Ende gab es ein Wiedersehen mit Lord Edmure Tully, den man seit NO ONE nicht mehr gesehen hat. Er hat es aus den Kerkern der Freys geschafft, um als unfreiwilliger Comic Relief einmal mehr die Gemüter zu erheitern. Armer Trottel. Sansas Burn war jedenfalls eiskalt!
- Auch Lord Robin Arryn ist nach THE BOOK OF THE STRANGER mal wieder zu sehen. Die harte Erziehung von Lord Royce scheint einen passablen Kerl aus ihm gemacht zu haben. Fun Fact: Sweetrobin ist de facto der am längsten amtierende Lord in der Seriengeschichte. Seit dem Tod von Lord Jon Arryn in der ersten Folge war eine „Herrschaft“ über die Vale prinzipiell ungebrochen, auch wenn sie faktisch nur auf dem Papier bestand.
- Unglaublich, GAME OF THRONES ist vorbei. Ich kann es immer noch nicht glauben. Dies ist mein letztes Recap. Ich danke all den Leserinnen und Leser, die mich über diese lange Zeit so engagiert und unterstützend begleitet haben. Danke für eure treuen Kommentare, ich werde es sehr vermissen. Zum Abschluss der Serie wird es aber wieder in anderthalb Wochen einen Super-Podcast mit Jenny von Moviepilot sowie Jens und Hari von fortsetzung.tv geben. Ich freue mich sehr darauf! Wann und wo er zu hören sein wird, werde ich dann hier noch einmal bekannt geben.
- Bis dahin vielen Dank und Valar morghulis!
- Hodor.
Die aktuelle achte Staffel GAME OF THRONES ist in Deutschland exklusiv auf Sky zu sehen. Weitere Infos unter: www.sky.de.
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